Sag mal – was macht eigentlich …

 

Wenzel Cerveny, Gründer der Ladenkette ‚Hanf – der etwas andere Bioladen‘ …

 

Hand aufs Herz, was wissen Sie über Hanf? Wußten Sie, dass Johannes Gutenberg 1455 seine erste Bibel auf Hanfpapier druckte? Ahnten Sie, dass die Segeltuche und das gesamte Tauwerk der Schiffe, mit denen Kolumbus 1492 Amerika entdeckte, aus Hanf bestanden? Dass die erste Jeans, die der nach Amerika ausgewanderte Bayer Levi Strauss 1870 produzierte, aus Hanf war? Wußten Sie, dass Hanf zu den ältesten und wertvollsten Kulturpflanzen gehört, und dass er schon vor Tausenden von Jahren als universelle Heil-und Nutzpflanze geschätzt wurde. Etwa 50.000 Produkte lassen sich aus Hanf herstellen – und deshalb gilt der Hanf zu Recht als Tausendsassa. In Deutschland wird der Hanf auf einer Fläche von etwa 8000 Hektar angebaut, bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sind fast 1000 landwirtschaftliche Betriebe gelistet, die Hanf auf ihren Feldern haben. Ob Samen, Blätter oder Stängel – die Pflanze läßt sich zu 100 Prozent verwerten.

‚Hanf – der etwas andere Bioladen‘ ist seit einigen Monaten im Stadtzentrum Schenefeld eine weitere Bereicherung. Wenzel Cerveny ist der Mann, der diese Einzelhandelskette vor fünf Jahren mit einem Geschäft in München gegründet hat. „Mittlerweile,“ so sagt der Unternehmer, „haben wir 19 Bio-Hanfläden und erwirtschaften einen 4,5-Million-Euro-Umsatz. Und ich bin happy, dass wir unseren Kunden und Kundinnen im Stadtzentrum einen Hanf-Fullsortiment-Supermarkt anbieten können. 400 Produkte liegen in unseren Regalen.“

Sag mal, Wenzel Cerveny, was kann man bei Ihnen hier im 1. Stock, in dem einladenden, hellen Bio-Laden alles so kaufen?

Die Antwort kommt schnell und überzeugt: „Unser Sortiment ist wirklich umfangreich. Dazu gehören Textilien aus Hanf, ob Hemden oder Unterwäsche. Hanfkleidung ist gut für die Haut – sie wärmt im Winter, kühlt im Sommer, reduziert das Schwitzen. Sie können beispielsweise Hanfsamenöl, Zahncreme oder Handlotion aus Hanf bekommen, wir bieten Seifen, Shampoos, Windeln und Schlafsäcke für Babys. Beliebt sind Hanfnougat, Bio Hanfmus, proteinreiches Bio Hanfsamenpulver oder Bio Schokohanf. Für Tierfreunde gibt es Hanföl und Trockennahrung, die Hunden, Katzen oder Pferden schmecken und gut tun. Kosmetik von Gesichtscreme bis Badesalz, Souvenir und Schmuck runden das Sortiment ab. Und wenn Sie möchten, kriegen Sie bei uns auch einen leckeren Hanf-Lolli in verschiedenen Geschmacksrichtungen.“

Sag mal, Wenzel Cerveny, der absolute Modehype sind seit einiger Zeit die sogenannten CBD-Öle, die angeblich mit vielen positiven Einflüssen punkten. Sie sollen den Schlaf fördern, schmerzlindernd und entzündungshemmend sein, antibakteriell wirken, bei Angstzuständen helfen und Übelkeit verhindern…das sind große Versprechen, klingt nach einem Wundermittel…

„Halt, stop,“ unterbricht Wenzel Cerveny, „wir versprechen gar nichts. Das dürfen wir nicht, und das tun wir nicht. Viele der therapeutischen Anwendungsgebiete werden derzeit medizinisch erforscht. Cannabidiol KANN helfen – es ist aber kein Wundermittel. Das CBD ÖL (Cannabidiol) ist ein Extrakt, der aus den Blüten und Blättern von Hanfpflanzen hergestellt wird. Aber tatsächlich zeigt die bislang größte Studie zu Cannabidiol, dass fast die Hälfte der CBD-Anwender aufhören können, Arzneimittel zu nehmen.“

Sag mal, Wenzel Cerveny, darf ich in meinem Garten eigentlich Hanf anbauen…?

Der Hanf-Spezialist schüttelt energisch den Kopf, erklärt: „Als Rauschmittel verschrien, ist der Anbau von Hanf seit den 90ern in Deutschland nur noch Landwirten und nur nach vorheriger Genehmigung und unter strengen Auflagen erlaubt. Landwirte müssen den Anbau beim Landwirtschaftsamt melden. Außerdem müssen sie die Herkunft des Saatgutes und die gesäte Menge pro Hektar angeben. Auch die Blüten werden von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung auf THC (Tetrahydrocannabinol) untersucht. Werden die Grenzwerte von unter 0,2 THC nicht überschritten, darf geerntet werden.“ Pause, dann: „Auch ohne ihre berauschende Wirkung liegt die Pflanze im Trend. Experten zufolge könnte Hanf ein bedeutender Werkstoff der Zukunft werden. Hanf ist sogar als Dämmmaterial für die Bauwirtschaft mittlerweile bedeutsam. Je mehr Landwirte Hanf anbauen, desto mehr wird das innovative Menschen anziehen, die Hanf weiterverarbeiten, beispielsweise zu Papier oder Kunststoff.“

Sag mal, Wenzel Cerveny, eine wichtige Frage, was ist eigentlich der Unterschied zwischen CBD und THC?

„Schnell erklärt: THC wirkt aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung psychoaktiv und verursacht einen Rauschzustand. CBD hingegen wirkt anders auf unsere Rezeptoren und daher nicht psychoaktiv.“

Sag mal, Wenzel Cerveny, die Kunden und Kundinnen, die zu Ihnen in Ihren Bio-Laden kommen, haben die eigentlich ausreichend Wissen über Hanf und seine Möglichkeiten?

„Nein,“ sagt Cerveny, „viele, die zu uns kommen, sind unwissend. Sie haben viele Fragen, und wir nehmen uns die Zeit, all die Fragen zu beantworten. Aber noch mehr – jeder bekommt von uns eine sehr umfangreiche Broschüre. Wir drucken sie mittlerweile in 12. Auflage, und hier findet jeder Kunde alle Informationen über das Potential dieser ganz besonderen Pflanze.“

Wenzel Cerveny, der sich mittlerweile in Deutschland den Namen Hanf-König erworben hat, hat eine aufregende, wechselvolle Geschichte hinter sich. In der idyllischen tschechischen Kleinstadt Klattau, einen Steinwurf von Pilsen und von der bayerischen Grenze entfernt, wurde er geboren. 1968, als in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 Truppen von fünf Warschauer Pakt-Staaten in die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (CSSR) einrückten, um den sogenannten ‚Prager Frühling‘, die Reformversuche der kommunistischen Partei der CSSR gewaltsam zu beenden, gehörte Wenzels Vater zu denen, die sich dagegen auflehnten. Wenzel Cerveny: „Das sah dann nicht gut aus für meinen Vater, er wurde verfolgt. Kurzerhand hat er meine Mutter, meinen Bruder und mich auf sein Motorrad gesetzt, und wir sind geflohen. Mein Vater hat seinen Hof in seiner Heimat zurückgelassen, aber in Bayern waren wir nun alle sicher.“

Die nächsten Jahre erlebte Wenzel Cerveny dann Aufenthalte und Schulstunden in Boston und im kalifornischen San Francisco. Zurück in Bayern, baute er sich eine Restaurantkette auf, aus einer ehemaligen Squashhalle entwickelte er ein Erlebnislokal für 1000 Gäste. „Und dann kam das Raucherverbot,“ erinnert sich der agile Unternehmer, „es killte meine komplette Existenz. Drei Monate habe ich quasi nur im Auto geschlafen, ich bin LKW gefahren, habe im Messebau geholfen.“

Ein Zufall, ein Gespräch auf der Straße, ließ ihn an ein neues Geschäft glauben, und er begann es auszubauen. Hanf – der etwas andere Bioladen.

Sag mal, Wenzel Cerveny, wie stolz sind Sie auf das, was sie innerhalb von fünf Jahren aus dem Boden gestampft haben…nicht immer ohne Widerstände?

Der Bio-Hanfladen-Gründer wirkt nachdenklich, sagt: „Ich bin sehr stolz. Wir sind ein gut funktionierender, florierender Familienbetrieb. Meine Söhne sind dabei, meine Frau auch. Wir ernten gemeinsam mit den Bauern auf den Feldern und bringen die Ware an die Kundschaft. Bayerische Landwirte sind durch uns auf den Hanfanbau gekommen und wissen, dass sie für einen Markt anbauen, der immer mehr nachgefragt wird und wächst. Wir haben Menschen einen Arbeitsplatz gegeben…und vor allem verkaufen wir Produkte, die wirklich etwas ganz Besonderes sind. Die Ernährungswissenschaft hat beispielsweise den hohen Wert der Hanfsamen erst in den letzten Jahren entdeckt und prophezeit dem Hanf eine große Zukunft als gesundheitsfördernde Pflanze.“

Können Sie das etwas genauer erklären…viele Menschen halten Hanfsamen für ein Superfood, gefüllt mit Fettsäuren, Tonnen von Eiweiß, vielen Antioxidantien und vielen anderen Nährstoffen…

„Gern,“ sagt Wenzel Cerveny, „die Hanflebensmittel eignen sich hervorragend für alle, die auf eine gesundheitsbewußte Ernährung achten wollen.  In den Hanfsamen beispielsweise stecken Protein, Vitamin E, Vitamin B 1, Folsäure, Eisen, Zink, Magnesium. Sie sind eine erstklassige Quelle von Omega 3-und Omega 6 Fettsäuren. Gerade Omega-Fettsäuren sind zur Zellerneuerung und Aufrechterhaltung des Immunsystems von besonderer Bedeutung.“

Sag mal, Wenzel Cerveny, welche Rolle spielen Hanfprodukte in Ihrem täglichen Alltag…?

Die Antwort kommt nicht überraschend: „Wir tragen Hanfprodukte am Körper, und all das, was wir unserem Körper zuführen, hat in irgendeiner Form Hanf als Rohstoff. Und ehrlich – meiner Familie geht es gut damit, sehr gut.“

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Auf dem Weg zum Auto denke ich: Dieser Wenzel Cerveny ist ein Visionär.

Visionäre folgen einem inneren Antrieb. Sie haben eine Vision, sie gehen mit offenen Augen durch die Welt, erkennen Probleme und lösen sie. Visionäre sind ahnungsvoll, prophetisch, vorausschauend, weitblickend. Man nennt Visionäre auch seherisch. Alle Adjektive treffen auf Wenzel Cerveny zu – er führt eine der ältesten Heil- und Kulturpflanzen, die schon im alten China zur Erzeugung von Fasern, Öl und Nahrungsmitteln bekannt war, und die in den 30iger Jahren als gefährlichste Droge der Welt in Verruf geriet, in eine große, bedeutsame Zukunft.