Sag mal – was machen eigentlich …

Sag mal, Anne Weseloh aus der Ideenwerkstatt…?

 „Wenn die Kinder kommen und mich mit ihren strahlenden Augen begrüßen, dann geht mir das Herz auf. Wenn die Kinder Bilder malen oder etwas basteln und ihre kleinen Kunstwerke stolz mit nach Hause nehmen, dann macht mich das glücklich. Ja, wenn wir den Eltern, den alleinerziehenden Müttern und Vätern ihre Kids für ein paar Stunden abnehmen und sie kreativ beschäftigen, dann tut das allen gut: den Kindern, den Eltern und letztendlich auch mir.“

Das sind Worte von Anne Weseloh, die in der ersten Etage des Staddis der kreative und pädagogische Kopf einer ganz besonderen Einrichtung im Stadtzentrum Schenefeld ist: in der Ideenwerkstatt, dem zweiten Zuhause für Jungs und Mädels zwischen (aktuell…) zwei und zwölf Jahren.!

Sag mal, Anne Weseloh, was muss man sich unter einer Ideenwerkstatt genau vorstellen? Wer entwickelt hier welche Ideen?
Anne Weseloh, eine freundliche Frau, selbst Mutter von zwei Kindern, antwortet: „Die Ideenwerkstatt ist eine wunderbare Einrichtung des Stadtzentrum. Wir haben hier einen wunderschönen, großen hellen Raum. Wir haben Tische, kleine und große, also für alle Altersgruppen. Wir haben einen Kaufmannsladen und eine Spielküche mit Tellern, Pfannen, Besteck, Gläsern und Töpfen. Wir haben ein Holzpferd, auf dem rumgeklettert und geritten werden darf. Für die Kleinen, die erst krabbeln und noch nicht laufen können, haben wir ein Laufgitter. Und vor allem ist in den Schränken all das, was Kinder zum Malen und Basteln benötigen …. Stifte, Tusche, Papier, Pappe, Scheren, Klebstoff, eben alles, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen…“ Pause, dann: „Und wir haben Sitzgelegenheiten für die Papas und Mamas und die Opas und Omas, die die Kids zu uns in die Ideenwerkstatt begleiten.“

Sag mal Anne Weseloh, das klingt super. Wie oft ist denn die Ideenwerkstatt geöffnet, und was kostet das für die Eltern, die ihre Kinder zu Ihnen bringen?
Anne Weseloh hat wunderbare Antworten parat: „Wir haben zweimal im Monat geöffnet, jeden 1. und 3. Samstag im Monat von elf bis 17 Uhr. Und wenn Sie fragen, was das kostet! Es kostet gar nichts! Die Kinder müssen nur mit ihrer Fantasie zu uns kommen … alles, was dann nötig ist, ist kostenlos. Ich kaufe all die Produkte ein für die Ideenwerkstatt, das Stadtzentrum übernimmt die Kosten. Und das ist wirklich etwas ganz Besonderes.“

Sag mal Anne Weseloh, wie reagieren die Eltern darauf, dass ihre Kleinen hier stundenlang malen und basteln können, ohne dass sie etwas bezahlen müssen.
Die Antwort ist eindeutig: „Sie sind dankbar. Wo gibt es heute noch etwas umsonst? Und in einem Einkaufszentrum vermutet man doch so etwas gar nicht. Kürzlich kam eine Mutter, deren Kinder regelmäßig bei uns sind, zu mir und sagte: Wissen Sie, wenn ich das hier bezahlen müsste, könnte ich mir das gar nicht leisten. All die Materialien sind schließlich so teuer geworden, und von meinem Gehalt als Altenpflegerin bleibt nicht viel übrig…“

Sag mal Anne Weseloh, was sind das überhaupt für Eltern, die ihre Kinder in ihre Obhut geben und Ihrer kreativen Ader anvertrauen?
Anne Weseloh nennt ein paar Beispiele. „Erst einmal möchte ich betonen, dass sich die Jungen und Mädchen bei uns frei entfalten können. Natürlich gibt es Regeln, und die lauten: 1. Keine Gewalt. 2. Stopp heißt Stopp für alle. 3. Kinder dürfen nicht allein, ohne Absprache, aus dem Werkstattraum gehen. 4. Keiner darf durch sein Verhalten sich oder andere gefährden. Und nun zu der Frage; Wer kommt zu uns? “Anne Weseloh spricht aus Erfahrung: „Es sind natürlich Eltern, die gern mal ein, zwei Stunden allein und unbeschwert durchs Staddi bummeln und einkaufen möchten. Es sind alleinerziehende Väter und/oder Mütter, die mal durchatmen möchten und sich vielleicht mit einer Freundin treffen. Es sind natürlich auch Väter und/oder Mütter, die selbst kein Händchen haben, um gemeinsam mit ihren Kids zu malen oder zu basteln. Und ehrlicherweise muss man auch sagen, dass so mancher zu Hause so beengt wohnt, so dass gar kein Platz für eine private Ideenwerkstatt wäre…

Sag mal, Anne Weseloh, Sie deuteten schon im Vorgespräch Amüsantes an…
Anne Weseloh lacht. „Ja,“ sagt sie, „kürzlich kam eine Mutter mit drei Jungs in die Ideenwerkstatt. Alle mussten zum Friseur, und der ist ja bei uns gleich gegenüber. Nacheinander ist sie dann jeweils mit einem ihrer Söhne zum Haarschneiden gegangen, während die anderen beiden hier glücklich malten.“
Anne Weseloh atmet tief durch: „Ich habe auch einen alleinerziehenden Vater hier, der regelmäßig mit seinen Zwillingen erscheint. Die beiden sind zweieiig, und tatsächlich können sie unterschiedlicher nicht sein. Der eine ist total ruhig und versucht, jeden kleinen Streit zu schlichten. Der andere benimmt sich wie ein Einzelkind, er will nicht teilen, immer im Vordergrund stehen, und wenn’s gar nicht nach seinem Willen geht, gibt’s auch schon mal einen deftigen Wutanfall.“

Sag mal Anne Weseloh, viele Kids wachsen zu Hause sehr häufig mit stundenlangen Videos auf – Videos also, in die sie nur hinstarren, ohne eine eigene Kreativität entfalten zu müssen. Deshalb die Frage: Wie wichtig ist Malen und Basteln, das zur Ruhe kommen, eigentlich für eine kleine Kinderseele?
Anne Weseloh: „Ohne unsere Arbeit, unsere Denkanstöße, überbewerten zu wollen – aber das zur Ruhe kommen ist ganz wichtig. Kreatives Handeln und Malen schaffen Mut und Selbstbewusstsein, die Eigeninitiative wird gefördert und die Bereitschaft der Fantasie freien Lauf zu lassen. Malen unterstützt sowohl die Fein- und Grobmotorik, was später für den Erwerb der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten von Bedeutung ist.“ Mini-Pause, Anne Weseloh weiter: „Papier, bunte Stifte und das Köpfchen voller Ideen – mehr brauchen Kinder nicht, um malerisch die Welt zu erschließen.“

Und was wird beim Basteln gefördert?
“Beim Basteln lernen Kinder, kreative Ideen zu entwickeln und diese umzusetzen. Das Vorstellungsvermögen wird geschult. Sie beschäftigen sich längere Zeit mit einer Sache, was die Ausdauer und das Konzentrationsvermögen fördert.“

Sag mal, Anne Weseloh, was wird denn bei Ihnen beispielsweise gebastelt? Nennen Sie uns bitte ein paar Beispiele…
„Gern, sehr gern,“ sagt die engagierte Taktgeberin in der Staddi-Ideenwerkstatt. „wir basteln Bilderrahmen und füllen sie mit Fotos oder Zeichnungen. Wir basteln Eierbecher – und damit die Bienen und Schmetterlinge ein Zuhause haben, basteln wir aus Pappe ein Insektenhotel. Zur Drachenzeit entstehen bei uns die schönsten und buntesten Drachen, und im Herbst zaubern unsere Kinder herrliche Laternen. Sehr gern basteln die Jungs und Mädchen Karten zum Verschenken, zu Weihnachten sind hier sogar Drei-D-Tannenbäume entstanden. Zum Muttertag entstehen hier bunte Vasen und Teller. Und am Tag des Hundes haben unsere Kids etwas ganz Kreatives gemacht – aus kleinen, großen und bunten Socken sind hier sogenannte Sockenhunde entstanden. Einfach herrlich, die Kids dabei zu beobachten, mit wieviel Liebe und Konzentration und Ideen im wahrsten Sinne des Wortes gebastelt wird. “

Sag mal, Anne Weseloh, Sie sind sicher eine Mal-Therapeutin, haben möglicherweise Kunst oder so etwas Ähnliches studiert
Anne Weseloh unterbricht mit einem herzhaften Lachen. „Nein, nein,“ sagt sie und schüttelt den Kopf, „ich habe das alles nicht studiert. Aber ich war schon als Kind kreativ, ich habe viel gemalt, viel genäht und mit Holz gearbeitet. Ich bin ein kreativer Kopf, ich bin sicher, den habe ich von meinen Eltern. Beruflich bin ich gelernte Bauzeichnerin im Tiefbau. Ich kann Straßen bauen und planen…aber die Nähe zu Kindern ist eine tolle Sache, die ich nicht missen möchte….“

Sag mal, Anne Weseloh, die Kids freuen sich immer auf die Mal- und Basteltage mit Ihnen hier im Staddi, aber wir wissen, dass sich noch andere Menschen freuen, wenn Sie in der Tür stehen…und dabei nicht ganz allein sind….
Tatsächlich ist es so, dass Anne Weseloh gemeinsam mit ihrem Mann Andre im niedersächsischen Drochtersen 350 einheimischen und exotischen Tieren ein feines Leben in der Natur auf dem flachen Land bieten. Manche Tiere tauchen in Fernseh- und Kinoproduktionen auf, manche sind Werbestars bei VW, Edeka oder Rewe und Mercedes. „Aber,“ sagt Anne Weseloh, „mein Mann und ich bieten auch tiergestützte Therapien an.“
Was ist darunter zu verstehen?
Anne Weseloh: „Wir gehen mit unseren Tieren in Seniorenheime. Dort fungieren wir quasi als ‚Türöffner‘, sorgen für Gesprächsstoff und für Abwechslung im Alltag. Die Tiere sind hier die unumstrittenen Stars. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich der direkte Kontakt zu Tieren stimulierend auswirkt. Nachweislich stärkt die tiergestützte Therapie die körperlichen und emotionalen Funktionen, der Geist wird angeregt. Das Strahlen in den Augen der Menschen, wenn sie sich stolz die Vogelspinne auf die Hand setzen lassen, sich mit unseren Vögeln unterhalten oder ein Stinktier streicheln, ist der schönste Dank für diese wertvolle Arbeit.“
Anne Weseloh ist ernst, wenn sie über diese Tätigkeit spricht, aber sie fühlt auch eine große Dankbarkeit in sich. „Die Tiere tun den Menschen einfach gut…sie freuen sich, wenn wir mit einem Schaf oder einem Nasenbärbaby um die Ecke kommen. Total beliebt ist unser Kakadu Sammy…er bleibt jedem in Erinnerung, selbst hochdementen Menschen. Sie wissen oftmals nicht, dass ihr Sohn mittags bei ihnen war, aber sie wissen, dass unser Kakadu Sammy heißt…“

Sag mal, Anne Weseloh, Sie kommen mit Ihren Tieren auch zur Sterbebegleitung…
„Ja,“ bestätigt Anne Weseloh, „so mancher wartet tatsächlich mit dem Sterben, bis wir endlich da sind und schläft dann friedlich ein. Tiere nehmen Ängste…rührend der Moment, als wir einer Frau unseren kleinen Kater ins Bett gelegt haben…beim Streicheln ist sie eingeschlafen. Friedlich und mit einem Lächeln im Gesicht…“

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Ende eines Gesprächs mit einer besonders kreativen und einfühlsamen Frau. Auf dem Weg zum Auto denke ich. Wie dankbar können wir sein, dass es eine Frau gibt, die nicht nur ein Herz für Kinder, sondern auch gleichermaßen für ältere Herrschaften hat. Aber ich denke auch; Es könnte mehr Anne Weseloh’s auf dieser Welt geben, viel mehr!