Sag mal – was macht eigentlich …

 

Frau Katharina Apelt-Glitz …

Mittagspause, kurz nach 13 Uhr. Das Wartezimmer ist leer, die Praxis ‚Hausärzte im Stadtzentrum‘ ist geschlossen. Zeit für ein Gespräch mit der Ärztin Katharina Apelt-Glitz, die die Praxis gemeinsam mit ihrer Freundin und Kollegin, Dr. med. Alexandra Suwelack, führt. Zeit, um über Gesundheit und über Krankheit, über menschliche Fürsorge und über berufliche Herausforderungen, um über das Seelenleben in Pandemiezeiten und über die Gratwanderung, Kind, Küche und Karriere unter einen Hut zu bringen, zu sprechen.

Das Aufnahmeband läuft, die Maske sitzt auf dem Mund und auf der Nase. „Fragen Sie,“ sagt Katharina Apelt-Glitz, lehnt sich in den Stuhl zurück.

Gern…sag mal, Frau Doktor, warum sind Sie eigentlich Ärztin geworden. Gibt es da ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, sind Sie diesbezüglich von Ihrem Elternhaus geprägt…?

Die Ärztin schüttelt den Kopf. „Nein, in meinem Elternhaus gab es keinen Bezug zur Medizin. Aber ich war in dem Bereich immer zu Hause, schon als Schülerin. Ich habe mich sehr für Bio interessiert, und ich empfand mich immer als kommunikatives, emphatisches Wesen. Als ich meinen Eltern sagte, dass ich Medizin studieren will, waren sie nicht überrascht und haben mich total unterstützt.“

Sag mal, Katharina Apelt-Glitz, würden Sie auch zwei Jahrzehnte später sagen, dass das die richtige Entscheidung war?

Die Antwort kommt schnell und leidenschaftlich: „Dieser Beruf ist absolut meine Berufung. Das, was ich hier mache, macht mich sehr glücklich. Ich genieße mein Leben, es ist einfach wunderbar, einen Beruf täglich auszuüben, den man liebt.“

Bevor sich Katharina Apelt-Glitz, Fachärztin für innere Medizin, 2019 im Stadtzentrum Schenefeld niederließ, hatte sie jede Menge Erfahrungen in anderen Kliniken und Praxen gesammelt. Auf Sylt arbeitete sie in der Nordseeklinik Sylt in der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie. Im Westklinikum Hamburg konzentrierte sie sich auf die Intensivmedizin, im Marienhospital Papenburg diagnostizierte und therapierte sie in der Gastroenterologie, die Kardiologie war ihr Bereich in der Elbe Klinik Stade. Sie erwarb die Zusatzbezeichnungen Ernährungsmedizin und Suchtmedizin, und so mancher Patient, der sich in der Elbpneumologie Dr. Aries & Partner behandeln ließ, wurde medizinisch von ihr versorgt.

Sag mal, Frau Katharina Apelt-Glitz, wir finden in Ihrer Vita aber noch eine Station, die mehr als ungewöhnlich klingt…Sie waren Anstaltsärztin und Leiterin der Medizinischen Abteilung der JVA Bremervörde, einer Justizvollzugsanstalt, in der ausschließlich Männer einsitzen. Und so mancher von denen ist nicht in der JVA, weil er mit Wattebäuschchen geworfen, sondern mit Drogen gedealt, geraubt oder geprügelt hat…da sind Sie mit harten Jungs in einem Behandlungszimmer…

Katharina Apelt-Glitz atmet tief durch. „Das stimmt schon. Mir wurde die Stelle angeboten, weil ich alle Voraussetzungen dafür erfüllte. Ich habe nicht sofort zugesagt, aber dann empfand ich es schon als herausfordernd, in der JVA eine medizinische Abteilung aufzubauen, Personal einzustellen, Strukturen zu etablieren.“

Gut, aber wie muss man sich Anamnesegespräch und Behandlung vorstellen…sind Sie dann allein mit dem Häftling im Zimmer?

„Eine Krankenschwester ist immer dabei…“

Und wie sieht es mit Ihrer Sicherheit aus, falls da mal jemand durchdreht…?

„Vor dem Behandlungszimmer sitzen immer zwei Justizbeamte, die sofort eingreifen können…

Wie erfahren die beiden Männer, wenn Sie in Not sind?

„Ich hatte immer eine Alarmklingel am Körper.“

Und, mußten Sie den Alarmknopf tatsächlich auch mal drücken? Waren Sie mal in Gefahr?

„Das war ich tatsächlich. Ich wurde bedroht…bei einigen Häftlingen hatte ich mich unbeliebt gemacht, weil ich aus medizinischen Erwägungen nicht das getan habe, was die für erforderlich hielten…“

Kamen die beiden Justizbeamten schnell genug?

„Ja, sie waren schnell genug, haben ihn abtransportiert. Und dann war die Behandlung auch beendet…“

Sag mal, Katharina Apelt-Glitz, bei allem Respekt, aber so ein Job, den Sie da angenommen hatten, birgt doch wirklich jede Menge Risiken, mehr Risiken als in einer ganz normalen Praxis.

Die Ärztin: „Sicher, aber wir waren tatsächlich mehrere Frauen in der JVA – sieben Krankenschwestern, zwei Psychologinnen und eine Psychiaterin. Außerdem hatte ich oftmals den Eindruck, dass manche Männer mir als Frau gegenüber ein besseres Benehmen an den Tag gelegt haben, als sie es bei einem Arzt getan hätten…“

Nach zwei Jahren im Gefängnis haben Sie das Gefängnis verlassen…warum?

Katharina Apelt-Glitz: „Irgendwann war das einfach keine medizinische Herausforderung mehr – ich wollte mehr. Aber ich bereue keinen Tag in der JVA, das war für mich eine sehr gute, wertvolle Lebenserfahrung.“

Sag mal, Frau Apelt-Glitz, wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass Sie sich als Hausärztin im Stadtzentrum Schenefeld niedergelassen haben?

„Die Idee entstand im Prinzip viele Jahre zuvor, als Dr. Suwelack und ich als junge Assistenzärztinnen in der Nordseeklinik Sylt gearbeitet haben. Wir wurden dort sehr gute Freundinnen und haben schon damals mit dem Gedanken gespielt, eines Tages in einer Praxis gemeinsam zu praktizieren. In all den Jahren danach haben wir diesen Gedanken nie aus den Augen gelassen…ich erzähle Ihnen nun etwas ganz Persönliches, weshalb ich mich nicht längst vorher mit ihr selbständig gemacht habe…“

Wir sind neugierig.

„Ich bin sehr spät Mutter geworden, mit 40. Es hat lange gedauert, bis sich mein Kinderwunsch endlich erfüllte. Und während der Zeit des Kinderwunsches wollte ich mich nicht selbstständig machen. Aber, als mein Sohn dann auf der Welt war, habe ich das Angestelltendasein verlassen und mir meinen großen Wunsch, selbstständig zu sein, erfüllt.“

Kind und Karriere – wie geht das?

„Das bedarf natürlich einer gewissen Logistik – das heißt: Ich bringe meinen Sohn auf dem Weg in die Praxis in die Kita, auf dem Weg nach Hause hole ich ihn wieder ab. An Tagen, an denen ich länger in der Praxis sein muss, steht eine liebevolle Kinderfrau bereit, um den Jungen abzuholen und auf ihn aufzupassen.“

Die hausärztliche internistische Versorgung und die Sonografie, Hautkrebsscreening und psychosomatische Grundversorgung, Ernährungsmedizin und Suchtmedizin – diese Bereiche bilden die Schwerpunkte der Ärztin, die täglich von Nienstedten nach Schenefeld fährt.

Sag mal, Frau Doktor…Hausärztin, das klingt so nach ganz besonderer Fürsorge, so segensreich und wünschenswert für all die, die wirklich nicht hoch kommen, um die Praxis aufzusuchen. Kommen Sie wirklich zu den Menschen nach Hause…?

„Selbstverständlich. Bei chronisch Erkrankten haben wir oftmals feste Termine, die wir wahrnehmen. Aber wir setzen uns auch mal schnell ins Auto, um in einem Akutfall zu helfen. Wenn wir schon am Telefon erkennen, dass nicht hausärztliche Hilfe, sondern Notarzthilfe notwendig ist, wird letztendlich die 112 angerufen.“

Sag mal, Katharina Apelt-Glitz, was ist eigentlich das Spannende an der Tätigkeit als Hausärztin…?

Die Antwort kommt schnell und ist, wie alles, was die Ärztin sagt, logisch und einleuchtend: „Das Spektrum ist in so einer Praxis, wie wir sie führen, wirklich breit angelegt. Ob Diabetes oder Asthma, ob Bluthochdruck oder Herzprobleme, ob Hals- oder ob Bauchschmerzen, ob Magenbeschwerden oder starker Husten – wir sind als Hausärzte für viele ein erster und ganz wichtiger Ansprechpartner. Wir untersuchen und behandeln, wir können EKG’s schreiben und Organe sonografieren – aber wir kennen natürlich auch unsere Grenzen. Wenn wir denken, der Patient sollte sich in die Hände eines Facharztes begeben, dann empfehlen wir einen Arzt. Wir arrangieren sogar Termine.“

Sag mal, Katharina Apelt-Glitz, es heißt immer wieder, viele Menschen würden ihr Auto besser pflegen als ihren Körper, ihre Gesundheit…

„Ich beobachte zwei Gruppen von Menschen – die einen gehen tatsächlich fahrlässig mit ihrer Gesundheit um, die anderen sind fast fanatisch darauf bedacht, alles nur Erdenkliche für ihre Gesundheit zu tun. Ich denke, ein gesundes Mittelmaß macht Sinn…“ Kurze Pause, dann: „Die Prävention, die Vorbeugung, die Vorsorge, sie ist aus meiner Sicht das Wichtigste, wenn es um Gesundheit geht.“

Wie reagieren Patienten, die durch Ihre Hilfe wieder gesund geworden sind? Gibt es schon mal ein Dankschreiben oder eine Gans zu Weihnachten…?

Die Ärztin lacht. „Nein, eine Gans haben wir noch nicht bekommen. Aber viele Packungen ‚Merci‘…das ist dann Nervennahrung für das Praxisteam. Und wir freuen uns über jeden Patienten, dem es wieder gut geht, der wieder aktiv am Leben teilnehmen kann…“

Aber Sie führen in der Praxis sicher auch schwierige Gespräche, wenn die Diagnose bitter, niederschmetternd ist…beispielsweise bei Krebsdiagnosen!

Katharina Apelt-Glitz: „Ja das ist so. Aber die meisten Menschen sind froh und dankbar für die Schulter, die wir ihnen anbieten. Wir sind die Unterstützer, wir kümmern uns – wenn es gewünscht wird – auch um die Angehörigen. Wir machen den Kontakt zu Kliniken. Wir versuchen das Beste, wir stehen einfach hinter unseren Patienten. Mit all unserem Wissen und all unserer Empathie.“

Sag mal, Katharina Apelt-Glitz, ein Kita-Kind, eine Praxis…bleibt da noch viel Freizeit für Sie…?

Die Ärztin, verheiratet mit einem Piloten, schüttelt den Kopf. „Ich fotografiere gern, ich laufe gern, ich liebe Yoga. Aber meine eigenen Interessen müssen im Moment etwas zurücktreten. Derzeit kann ich keinem Hobby gerecht werden…aber das ist auch ok. Das wird sich wieder ändern. Ich bin glücklich mit dem, was ich tue.“

***

Ende des Gesprächs. Ein paar Fotos, ein kurzer Snack für die Ärztin, dann beginnt die Nachmittagssprechstunde. Die ersten Patienten warten schon…

Im Auto geht mir ein Gedanke nicht aus dem Kopf: Hippokrates von Kos (460 – 370 v. Chr.) der Begründer der Medizin als Wissenschaft, hätte seine wahre Freude an dieser Ärztin. Er forderte vom Arzt körperliche und geistige Hygiene, persönliche Integrität, Vorsicht, Empathie und analytisches Denken – all die Dinge und Eigenschaften, die Katharina Apelt-Glitz ihren Patienten täglich anbietet!

Praxisteam: Katharina Apelt-Glitz und Dr. Alexandra Suwelack