Sag mal – was macht eigentlich …

 

Sag mal, Herr Singh vom LaVita …

 

„La Vita”, das Leben: ein Restaurant, ein Inder und das Heimatgefühl

Es ist Dienstagnachmittag, gegen 14.00 Uhr. Durch die Glaskuppel des Stadtzentrum Schenefeld scheint an diesem Tag grenzenlos unbekümmert die Sonne auf die leinenbespannten Schirme vor dem Restaurant “La Vita”. Hier im Erdgeschoss, am Rande des Lichthofes, stellt sich das Bedienungspersonal täglich auf die zu dieser Zeit wechselnde Kundschaft ein: von jenen Gästen, die zwischen den Einkäufen im Center ein italienisches Mittagsgericht zu sich nehmen zu denen, die es jetzt eher nach einem Cappuccino und einem sahnebedeckten Stück Kuchen gelüstet.

Hier ist das Reich von Jasvinder Singh, 41 Jahre, Inhaber und Geschäftsführer des Restaurants, dessen Speisekarte mediterranes Flair verheißt, so, wie die Gäste aus Schenefeld und Center-Kunden aus dem schleswig-holsteinischen Umland es sich wünschen. Der Mann weiß was gefragt ist, ist vom Fach. Mit elf Jahren holen die Eltern, bereits seit 1978 in Deutschland, ihn und seinen Bruder aus dem fernen Norden Indiens ins Elternhaus nach Hamburg. Aufgewachsen ist er bei den Großeltern, von indischer Kultur geprägt, der Religionsgemeinschaft der Sikhs zugehörig, die zumeist im nordindischen Bundesstaat Punjab beheimatet ist. Amritsar, der Name der Landeshauptstadt, der übersetzt soviel wie “Nektarsee” bedeutet und ein goldfarbener Tempel inmitten eines Sees, die heilige Pilgerstätte der Sikhs, verspricht blühende Landschaften. Doch das Leben dort ist alles andere als prunkvoll und reich. Jasvinder Singhs Angehörige sind einfache Bauern und führen ein eher karges Leben als Großfamilie, in der man sich gegenseitig hilft, um zu überleben. Sein Vater Balwinder Singh hat schnell erkannt, dass die Familie dort auf Dauer keine Zukunft hat. Er emigriert. Einer der Brüder seines Vaters ging in die USA, eine Schwester lebt heute in England. Geholfen hat ihm, dem Vater, damals vor über 40 Jahren, sein Spürsinn für den Trend der Deutschen zur ausländischen Küche.

So wurde ihm, dem Sohn Jasvinder und seinem Bruder eine Ausbildung in der Gastronomie zuteil. Beide kamen schnell in die Selbstständigkeit. Seit geraumer Zeit führt sein Bruder Rajbir Singh die Geschäfte des “Steak House” im Stadtzentrum Schenefeld, was Jasvinder zuvor betrieb. Er selbst ist seit 2004 mit dem “La Vita” sein eigener Herr, wo es, ganz italienisch, hausgemachte Nudeln gibt. Je nach Jahreszeit beschäftigt er bis zu 15 Bedienstete, davon neun in der Küche. So stemmen sie allesamt monatlich die Verarbeitung von 400 Kilogramm Mehl, 1.000 Freiland-Eiern für Spaghetti und andere Nudelgerichte nach original italienischem Rezept. Hinzu kommen 50 Kisten Tomaten, 400 Salatgurken und mehrere Hundert Kilo Frischgemüse. Auch sein Vater ist mit 63 Jahren noch tatkräftig dabei.

Wenn Jasvinder Singh, verheiratet mit einer Inderin, Familienvater dreier Kinder, einem mit dem Lächeln gegenübersitzt, das den Menschen Südasiens so typisch ist, mag man seinen Worten kaum glauben: “Meine Heimat ist zweifelsfrei hier, in Schenefeld und in Lurup, wo wir arbeiten und wohnen. Mit Indien verbindet uns nichts mehr, seit mein Großvater vor sieben Jahren als letzter der Familie verstarb. Seitdem war ich nicht mehr dort. Wir haben hier inzwischen viele Freunde. Nicht wenige unserer Gäste kennen mich und meine Bediensteten, wie auch wir sie mit Namen. Das verbindet, das möchte ich niemals verlieren.” Ein Strahlen geht über sein bronzefarbenes Gesicht, ein Hauch Indiens, wie aus einer anderen fernen Welt, macht sich nochmals wie zum Abschied in seinen dunklen Augen breit, bevor er sich freundlich, leicht verbeugend verabschiedet, sich seinen Gästen zuwendet und für schnelle Bedienung sorgt.

Das Interview haben wir im Dezember 2018 geführt.

Hier hat Ordnung und Frohsinn einen Platz:

Jasvinder Singh (links) und sein Vater Balwinder verbreiten in der Küche oft gute Laune, etwas das Wirkung zeigt: Es gibt kaum Fluktuation unter den Bediensteten, etliche sind seit über zehn Jahren im “La Vita” dabei.